Mittwoch, 29. Februar 2012

Alice im Wunderland

Man muss nicht tief in die rhetorische Trickkiste greifen um bei Beth Jeans Houghtons Debütalbum Yours Truly, Cellophane Nose von bunter Musik zu sprechen. Zugegeben, sehr einfallsreich ist das nicht. Dennoch passt es wie die Faust auf’s Auge wenn man erfährt, dass die gute Beth Synästhetikerin ist. Zu deutsch: Akustische Sinnesreize werden für sie zu Farben. Ihr eigener Vorname verwandelt sich in grau, grün, dunkel- und hellgelb.



Drei Jahre nach ihrer EP Hot Toast Volume One, mit der sie im Vereinigten Königreich schon für Wirbel gesorgt hatte, erscheint nun also (endlich) ihre erste Langspielplatte für die sie sich die Herren von Hooves of Destiny an Bord geholt hat. Los geht der Reigen mit dem fröhlichen und beinahe triumphalistischen Stück Sweet Tooth Pick. Leichtfüßig geben Trompete, Cembalo und Streicher die Marschrichtung für die nächste halbe Stunde vor: Phantasievoller Folk-Pop mit kindlich verspielten Melodien. Stimmlich bewegt sie sich dabei irgendwo zwischen Florence Welsh und Vashti Bunyan.


In der Vergangenheit hat sich die Musikpresse auch insbesondere auf ihren Kleidungsstil gestürzt. The Guardian sah sie als "Gwen Stefani with a touch of Brody Dalle". Auf solche Nebensächlichkeiten reagierte sie kurzerhand mit grauen Trainingshosen und T-Shirts. Der Fokus sollte immerhin auf ihrer Musik liegen, und die lohnt sich wirklich!

Yours Truly, Cellophane Nose wartet mit einer Perle nach der anderen auf. Humble Digs könnte in der Form ebenso gut aus der Feder von Marcus Mumford stammen. Dodecahedron begeistert mit einer verträumten Melodie zum Dahinschwelgen, gefolgt von Atlas, welcher fast schon zum tanzen einlädt. Ähnlich wie Nightswimmer, der mit seinem Dreivierteltakt etwas unglaublich Nostalgisches hat. Zwar nimmt das Album in der zweiten Hälfte an Ideenreichtum etwas ab, dennoch liefert es weiterhin einen überschäumenden Facettereichtum. Mein persönliches Highlight auf dem Album ist der Song Liliputt, welcher wie die Essenz dieses Albums erscheint: Ein Jahrmarkt von Sinneseindrücken, mal schnell, mal langsam – ein Auf und Ab von Farben!


Ich finde, dass man Beth Jeans Houghton und ihren Mitstreitern zu einem bezaubernd guten Album gratulieren kann. Mein einziger Kritikpunkt ist die doch recht kurze Laufzeit von 35:04. Schade, mit dem Karussell hätte ich gerne noch ein paar Runden gedreht! Nichtsdestotrotz kann ich dieses Album jedem empfehlen, der sich von Musik auch mal entführen lässt.

Es ist nicht mehr als eine bunte Weiterführung von Emiliana Torrini und Laura Marling, und nicht weniger als eine Reise in den Kaninchenbau.

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