Dienstag, 3. April 2012

Intermezzo I

Als luftig-lockeres Gegenstück zu den längeren Review-Texten gibt's in Zukunft Intermezzos - kleine Fundstücke für zwischendurch.

Den Anfang machen Dark Dark Dark mit einer Live-Version von Daydreaming.

 

P.S.: Alle Interessierten finden den Song auf Wild Go (2010).

Donnerstag, 15. März 2012

Der Feenstaub lässt nach

Im Nimmerland ist es langweilig geworden. Captain Hook wurde längst vom Krokodil gefressen und Peter Pan ist auch nicht der aufregendste Gesprächspartner! Was macht man also als unterforderte Fee? Ganz klar: Man greift zum Akkordeon und covert Punk-Klassiker von Rancid.
So oder so ähnlich stelle ich mir den Werdegang von Maïa Vidal vor.


Ihre ersten Schritte ins Musikbusiness tat sie bereits im zarten Alter von 15 Jahren mit der Mädchen-Punk-Band Kievan Rus - damals noch mit blauer Stachelfrisur. Zwar tobt sie sich musikalisch mittlerweile eher in der Ecke Chanson und Folk Pop aus, ihren Wurzeln bleibt sie bis heute treu: Als Hommage an Rancids legendäre ...And Out Came the Wolves-Platte trägt sie bei ihren Auftritten stets eine Fellmütze mit Wolfsohren und unter dem Synonym Your Kid Sister hat sie 2010 die EP Poison (5 Rancid Songs that I Love) veröffentlich.


Vergangenen Oktober hatte ich das Glück Maïa Vidal live zu erleben. Leider war ihr Set an diesem Abend viel zu kurz. Vielleicht hat mich gerade das so neugierig auf neues Material dieser, mit Verlaub, winzigen Musikerin gemacht. Lange musste ich nicht warten: Seit dem am 31. Oktober 2011 steht God is My Bike bei jedem guten sortierten Plattenhändler.


Würde man mich fragen, die Musik von Maïa Vidal so kurz wie möglich zu beschreiben, käme dabei wahrscheinlich so etwas wie zückersüße Wiegenlieder raus. Neben Violine, Gitarre und Akkordeon verwendet sie in ihren Songs sehr gerne auch Spielzeuginstrumente, was wunderbar zu ihrer zarten, Cherilyn MacNeil'esken Stimme passt. Los geht's mit The Waltz of the Tick Tock of Time, der sich nach recht langem Grammophon-Effekt-Intro zu einer sehr schönen Nummer im Dreivierteltakt entwickelt. In ihrer ersten Single-Auskopplung The Alphabet of My Phobias tobt sich Vidal stimmlich etwas mehr aus (hörenswert ist auch die Live-Version in der Fußgängerzone von Barcelona). Der Titelsong God is My Bike bricht etwas durch die Zuckergussschicht seiner Vorgänger. Die dunklere Note tut dem Album auf jeden Fall gut!


Follow Me ist für mich persönlich der Höhepunkt dieses Albums. Sein Beat besteht hauptsächlich aus Geklatsche und Fingergeschnipse, was ihn auf eine seltsame Art und Weise groovig macht. Und dann wär da noch... ehm... ja, was eigentlich?

Damit wären wir beim Hauptproblem von God is My Bike: Nach der erwähnenswerten Chanson-Nummern Le tango de la femme abandonnée sind im Grunde alle guten Lieder verbraten. Von da an nimmt das Album qualitativ gehörig ab. Das Material hätte ohne Weiteres für eine ausgezeichnete EP gereicht, aber über die volle Länge sieht Maïa Vidal reichlich blass aus. Für etwas Easy Listening ist die Platte dennoch zu gebrauchen, aber es hätte mehr sein können.

Von Predigern und Barhockern

Nach Musik zu stöbern gehört ganz klar zu meinen Hobbys. Recht häufig treffe ich dabei auf Musik, die man "ganz okay" nennen kann. Richtig gute Musiker sind da schon schwieriger zu finden. Ein Fund wie Damion Suomi hat allerdings wahren Seltenheitswert! Ein einziger Song hat gereicht um mich total anzufixen. Resistance was futile.

 

Begonnen hat er seine Karriere in den Irish Pubs seiner Heimat Florida. Erst waren es nur ein paar traditionelle irische Lieder, doch mittlerweile kann der Spross einer musikalischen Familie mit zwei Longplayern und einer EP aufwarten. Sein aktuelles Werk trägt den Titel Go, and Sell All of Your Things und wird oft wird oft als "musikalische Predigt" beschrieben. Thematisch benutzt der gläubige Christ nämlich biblische Symbolik bis zum Abwinken. Überraschenderweise macht das die Musik aber nicht schwerer, vielmehr ist die Thematik die Quelle für eine rundum schöne Bildsprache.

 

Sein zweites Album, welches seit dem 12. April 2011 in den Regalen steht, hat er zusammen mit The Minor Prophets aufgenommen. Im Vergleich zum Vorgänger Self Titled (2009) klingt sein Sound um einiges runder, und die Melodien stechen viel eher hervor. Mit seiner Stimme, die stellenweise sehr an Colin Meloy und Dustin Kensrue erinnert, singt er sich durch wirklich stimmigen Folk Rock und Alternative Country. Die Genres werden dabei sicherlich nicht neu erfunden, aber Damion Suomi & The Minor Prophets nehmen alle guten Zutaten und verrühren sie zu einer fantastischen Mischung.

 

The Call eröffnet das Album mit stampfendem Schlagzeug und Suomis prophetischer Stimme: "You’re gonna feel alone, you’re gonna feel afraid". Klingt zuerst nach schwerer Kost, aber ich ich kann euch garantieren: Der Song macht irre Spaß! Camel zieht das Tempo etwas an und etabliert eine Kneipenstimmung, die sich durch große Teile von Go, and Sell All of Your Things zieht. Wie Damion Suomi es geschafft hat, biblische Psalme in Trinklieder zu verwandeln, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Songs wie Mustard Seed und Pearls (Before the Swine) animieren eher zu feuchtfröhlichen Abenden als zu stiller Einkehr.

Wenn ich negative Punkte nennen müsste, dann wäre da auf jeden Fall der leichte Cowboyhut-Einschlag. Während man bei Holy Ghost noch das "Yippie Ya Yeah, Yippie Ya Yo" mit Leichtigkeit verzeiht - weil's einfach ein klasse Song ist! -, wird das bei City on a Hill schon schwieriger. Im Ganzen betrachtet ist dieser Song aber auch der einzige Wehrmutstropfen auf dem gesamten Album. Es bleibt eine sehr abwechslungsreiche Platte die trotz ihrer religiösen Thematik selbst Atheisten wie mich überzeugt!

In diesem Sinne: "Welcome to hell, now buy me a drink!"

Donnerstag, 1. März 2012

Blumen in b-Moll

Vollbart, Hornbrille, Fellmütze…
Als TV-Geschädigter hat man auf Blaudzun schnell das Etikett Hipster geklebt. Fehlt nur noch der Steve-Jobs-Altar und die tiefe Abscheu vor Mainstream. Seine nichtssagenden Songtexte begleitet er wahrscheinlich mit Triangel und Theremin, oder?!
Falsch, ganz falsch! Tatsächlich ist der Niederländer Johannes Sigmond – so sein bürgerlicher Name – ein regelrechter Shootingstar in seiner Heimat. Wie kann das sein? Hipster und Charterfolg? Does not compute.



Mit seinem aktuellen Werk hat er auf Anhieb Platz 4 der niederländischen Albumcharts geentert, die dazu passende Tour war in Windeseile ausverkauft. Im deutschsprachigen Raum ist er hingegen noch so gut wie unbekannt. Ein Grund mehr einen Blick auf sein nunmehr drittes Album Heavy Flowers zu werfen.

Wer Singer-Songwriter hört, denkt meistens an eine One-Man-Show mit Westerngitarre und Flanellhemd. Wieder falsch! Schon beim Opener Flame On My Head wird deutlich: Blaudzun ist kein Minimalist. Am besten beschreibt sich sein Sound wohl mit hoffnungsvoller Melancholie, stets mit "Licht am Ende des Tunnels", wie er selber sagt. Dabei besitzt er ein wahres Händchen dafür, seine Hörer in ruhigen, traurig schönen Melodien schwelgen zu lassen. So kriegt auch die düsterste Nummer eine gewisse Leichtigkeit. Songs wie Heavy Flowers, Who Took the Wheel und Another Ghost Rocket bieten dafür den besten Beweis.


2008 nannte Sigmond sein recht finsteres Erstlingswerk Blaudzun (2008) noch "Nachtmusik", und auch der Nachfolger Seadrift Soundmachine (2010) schlägt in diese Kerbe. Heavy Flowers hingegen kommt im Vergleich regelrecht fröhlich daher. Nummern wie das viel zu kurze Le Chant des Cigales und Sunday Punch wirken wie helle Lichtungen im dichten Nadelwald.


Trotz dieser frischen Lichtblicke ist Blaudzuns drittes Album stellenweise recht langatmig. Versteht mich nicht falsch, Johannes Sigmond versteht wirklich was von seinem Handwerk. Jedoch kann die Melancholie, so schön sie auch sein mag, zwischendurch ermüdend wirken. Nichtsdestotrotz haben wir es hier mit einem guten Album zu tun auf dem so manches Juwel zu finden ist. Perfekt für verregnete Sonntagnachmittage.

Mittwoch, 29. Februar 2012

Alice im Wunderland

Man muss nicht tief in die rhetorische Trickkiste greifen um bei Beth Jeans Houghtons Debütalbum Yours Truly, Cellophane Nose von bunter Musik zu sprechen. Zugegeben, sehr einfallsreich ist das nicht. Dennoch passt es wie die Faust auf’s Auge wenn man erfährt, dass die gute Beth Synästhetikerin ist. Zu deutsch: Akustische Sinnesreize werden für sie zu Farben. Ihr eigener Vorname verwandelt sich in grau, grün, dunkel- und hellgelb.



Drei Jahre nach ihrer EP Hot Toast Volume One, mit der sie im Vereinigten Königreich schon für Wirbel gesorgt hatte, erscheint nun also (endlich) ihre erste Langspielplatte für die sie sich die Herren von Hooves of Destiny an Bord geholt hat. Los geht der Reigen mit dem fröhlichen und beinahe triumphalistischen Stück Sweet Tooth Pick. Leichtfüßig geben Trompete, Cembalo und Streicher die Marschrichtung für die nächste halbe Stunde vor: Phantasievoller Folk-Pop mit kindlich verspielten Melodien. Stimmlich bewegt sie sich dabei irgendwo zwischen Florence Welsh und Vashti Bunyan.


In der Vergangenheit hat sich die Musikpresse auch insbesondere auf ihren Kleidungsstil gestürzt. The Guardian sah sie als "Gwen Stefani with a touch of Brody Dalle". Auf solche Nebensächlichkeiten reagierte sie kurzerhand mit grauen Trainingshosen und T-Shirts. Der Fokus sollte immerhin auf ihrer Musik liegen, und die lohnt sich wirklich!

Yours Truly, Cellophane Nose wartet mit einer Perle nach der anderen auf. Humble Digs könnte in der Form ebenso gut aus der Feder von Marcus Mumford stammen. Dodecahedron begeistert mit einer verträumten Melodie zum Dahinschwelgen, gefolgt von Atlas, welcher fast schon zum tanzen einlädt. Ähnlich wie Nightswimmer, der mit seinem Dreivierteltakt etwas unglaublich Nostalgisches hat. Zwar nimmt das Album in der zweiten Hälfte an Ideenreichtum etwas ab, dennoch liefert es weiterhin einen überschäumenden Facettereichtum. Mein persönliches Highlight auf dem Album ist der Song Liliputt, welcher wie die Essenz dieses Albums erscheint: Ein Jahrmarkt von Sinneseindrücken, mal schnell, mal langsam – ein Auf und Ab von Farben!


Ich finde, dass man Beth Jeans Houghton und ihren Mitstreitern zu einem bezaubernd guten Album gratulieren kann. Mein einziger Kritikpunkt ist die doch recht kurze Laufzeit von 35:04. Schade, mit dem Karussell hätte ich gerne noch ein paar Runden gedreht! Nichtsdestotrotz kann ich dieses Album jedem empfehlen, der sich von Musik auch mal entführen lässt.

Es ist nicht mehr als eine bunte Weiterführung von Emiliana Torrini und Laura Marling, und nicht weniger als eine Reise in den Kaninchenbau.